Die Wahl für das EU-Parlament ist in der Regel in vielen Ländern der Europäischen Union eine der beteiligungsschwächsten. Eine Vermutung dafür ist, dass viele Menschen die nationale Regierung als wichtiger, unmittelbarer erachten, als Geschehnisse in Brüssel. Die kommende EU-Wahl dürfte jedoch aufgrund einiger Themen brisant werden. Viele vor allem junge Menschen haben sich zusammengeschlossen und betreiben aktiv Kampagnen, die eine ganz klare Richtung aufweisen: die EU-Urheberrechtsreform passt vielen Internetbenutzern nicht ins Bild. Manche gehen sogar soweit, von einer Zerstörung des Internets zu sprechen. Das rückt die EU in kein positives Licht.
Umstrittener Artikel 13
Für große Schlagzeilen hat in den vergangenen Monaten der oft genannte Artikel 13 gesorgt. Dieser soll laut Gesetzesvorschlag Upload-Filter einführen und Website-Betreiber dazu zwingen, hochgeladene Inhalte von Benutzern einer automatisierten Prüfung zu unterziehen. Während mit dem Urheberrecht argumentiert wird, sehen viele Personen die Meinungsfreiheit in Gefahr.
Denn solche automatische Prüfungssoftware kann nicht erkennen, ob es sich um Satire handelt, kann niemals zwischenmenschliche Zusammenhänge so erfassen, wie es Personen können und sie kann natürlich auch schlichtweg falsch handeln. Denn wenn die Strafen drastisch genug sind, werden sich Betreiber entsprechender Portale im Zweifelsfall dazu entscheiden, einen Beitrag zu sperren, anstatt ihn freizugeben.
Aktivisten haben in vielen Kampagnen versucht – und rufen weiterhin dazu auf – Politiker mit Anrufen und Mails davon zu überzeugen, sich gegen diese Urheberrechtsreform auszusprechen. Die Medienindustrie, deren Vertreter und Verleger hingegen sind der Meinung, dass die EU-Urheberrechtsreform längst überfällig ist. Hier wird von den Gegnern häufig das Stichwort Geld als Argument genannt. Die Vertreter der Branche verweisen jedoch meist auf das bereits genannte Urheberrecht als eigentlichen Grund.
Entscheidung beim EU-Parlament
Ob diese Reform durchgeführt wird, hängt einzig und allein von der Entscheidung des EU-Parlaments ab. Ende März soll von den EU-Abgeordneten darüber abgestimmt werden. Obwohl bis zu diesem Zeitpunkt noch mehrere Wochen verstreichen müssen, hat sich das EU-Parlament bereits einseitig geäußert. Der offizielle Twitter-Account des EU-Parlaments hat den Artikel 13 äußert einseitig dargestellt und versucht damit offenkundig in eine bestimmte Richtung zu lenken. In dem geteilten Video wird nur eine Seite der Medaille gezeigt, nämlich die der Reform-Befürworter. Außerdem wurde im Tweet geschrieben, dass „Memes sicher“ seien sowie die „Meinungsfreiheit nicht in Gefahr“ sei.
Egal, wie man zum Thema Upload-Filter bzw. Inhaltserkennungsmaßnahmen, wie sie korrekterweise heißen, steht, dieses Verhalten des EU-Parlaments ist wohl kaum angebracht. Mit einem Jugendthema wie Memes nach vorne zu schnellen während nicht behandelt wird, dass Upload-Filter beispielsweise nicht zwischen rechtsverletzenden Inhalten und legaler Werksnutzung unterscheiden können, erscheint zudem als noch einseitiger und seltsamer, als der Beitrag zunächst wirkt.
Proteste, Aktivismus und „das Internet retten“
Währenddessen gehen die Protestaktionen sowohl online, als auch auf den Straßen weiter. Der Kampf um die Stimmen der EU-Abgeordneten wird wohl bis ans bittere Ende gehen – sofern diese überhaupt dem Wunsch des Volkes nachgehen möchten. Obwohl sich viele Gegner der EU-Urheberrechtsreform öffentlich zu Wort melden, ist leider ausgerechnet von den Befürwortern kaum ein Statement zu bekommen. Allem Anschein nach sollen Probleme immer häufiger ausgesessen werden, anstatt sie zu thematisieren. Das mag einseitig klingen, jedoch ist das eine Wahrnehmung, die laut Umfragen immer mehr Menschen teilen.
Die Frage nach der Entscheidung rund um Artikel 13, Upload-Filtern und der EU-Reform bleibt offen und wird jedenfalls weitere spannende Wochen mit sich bringen. Neben Aktivismus zur EU-Wahl rufen auch Datenschützer immer häufiger dazu auf, auf die eigene Privatsphäre zu achten. Dafür werden unter anderem VPNs empfohlen, zu sicheren Passwörtern wird geraten und Internetrecht wird verstärkt thematisiert. Das hängt zwar nur indirekt mit der geplanten Urheberrechtsreform zusammen. Da aber manche das Ende des Internets kommen sehen, wird dazu geraten, Vorsorge zu treffen.