Die EU-Copyrightreform und ihre Auswirkungen

Nach der gestrigen Abstimmung des EU-Parlaments zugunsten der Urheberrechtsreform ist der Weg für ein neues Leistungsschutzrecht und Upload-Filter nicht nur geebnet, sondern praktisch asphaltiert. Obwohl der Widerstand bereits im Vorfeld enorm war, wurden Kritiker größtenteils ignoriert oder denunziert. Nun geht die Kritik weiter und steigt auf die nächste Stufe. Denn mehrere EU-Staaten haben nun schon durchsickern lassen, dass bei der Umsetzung der Vorgabe gewisse Freiheiten und Abweichungen möglich sind.

Allen voran steht hier Deutschland im Mittelpunkt. Denn obwohl die CDU und Sprecher Axel Voss das Leistungsschutzrecht stark befürwortet und damit die Abstimmung vorangetrieben haben, möchte man die Upload-Filter nicht umsetzen. Sinngemäß wurde mitgeteilt, dass man lediglich große Internetkonzerne stärker in die Pflicht nehmen wollte. Dass damit aber eine Grundlage geschaffen wurde, die deutlich weitreichendere Auswirkungen hat, scheint dabei ignoriert zu werden.

Kein Ende bei Demonstrationen

Gestern kam es in mehreren Ländern Europas, verstärkt im deutschsprachigen Raum, zu spontanen Demonstrationen. Gegner des Reformbeschlusses riefen in sozialen Netzwerken dazu auf. Tausende überwiegend junge Personen gingen auf die Straßen und zeigen ihren Unmut darüber, dass ihre Meinung von der Politik größtenteils nicht beachtet wurde.

Deutschsprachige Politik gespalten?

Interessant ist, dass abgesehen von CDU-Politiker Axel Voss sich in Deutschland viele Bürgervertreter gegen die Reform aussprechen und das auch im Vorfeld getan haben. Allen voran die EU-Abgeordnete Julia Reda der Piraten. Sie sprach mit Hilfe des Kurznachrichtendienstes Twitter von einem schwarzen Tag für die Internetfreiheit. Auch der SPD-Europapolitiker Tiemo Wölken war entgeistert und betonte, dass das EU-Parlament die Stimmen von hunderttausenden jungen Menschen ignoriert hat.

Blickt man in das Nachbarland Österreich, sind die politischen Vertreter der Regierung überwiegend erfreut. Während die Oppositionsparteien SPÖ und Grüne geschlossen gegen die Reform stimmten, heißt es seitens des Medienministers Gernot Blümel von der ÖVP, dass nun „gleiche Rahmenbedingungen“ für alle gegeben sind. Im Vorfeld wurde diese Meinung durch seine Parteikollegen sowie vom Koalitionspartner FPÖ mehrfach bekräftigt.

Insgesamt scheint die deutsche Politik eine weniger hohe Meinung vom Gesamtvorhaben Urheberrechtsreform zu haben, als die österreichische. Da jeder Staat eine eigene nationale Umsetzung der EU-Vorgabe verfolgen muss, darf man auf etwaige Unterschiede zwischen den Ländern gespannt sein. Kritiker befürchten, dass besonders konservative Regierungen wie die ÖVP-FPÖ-Koalition in Österreich für ein „übererfüllen“ der Vorgaben sorgen könnten, um sich auf die Seite der wirtschaftstreibenden Verlage zu stellen. Gleichzeitig behaupten das aber auch Aktivisten in Bezug auf deutsche Politiker, besonders wenn von der Generation 40+ die Rede ist. Laut den überwiegend jungen Copyrightreformkritikern hat diese Generation einen völlig anderen Bezug zum Thema Internet, wie sie selbst.

Was bedeutet die EU-Copyrightreform?

Die Kritik an Upload-Filtern ist nach der Abstimmung neu entfacht.

Die Kritik an Upload-Filtern ist nach der Abstimmung neu entfacht.

Obwohl das vollständige Ausmaß der Auswirkungen abzuwarten bleibt und nationale Gesetzesvorschläge wie bereits erwähnt voneinander abweichen können, gibt es mehrere Indizien, wozu diese Copyrightreform nun führen wird. Allgemein betrachtet bedeutet das, dass alle Internetplattformen und -websites künftig keine benutzergenerierten Inhalte zulassen dürfen, die urheberrechtlich problematisch sind. Daraus lässt sich schlussfolgern, dass Websites auch dann nutzergenerierte Texte, Bilder und andere Medien blockieren werden, wenn es sich um Inhalte handelt, die zumindest problematisch sein könnten. Denn wenn die Strafen dafür hoch sind, will es zweifelsohne kein Portal riskieren, gegen bestehendes Gesetz zu verstoßen.

Dass Upload-Filter aber nicht fehlerfrei sind oder auch nicht zwischen Satire und Ernst unterscheiden könnten, befürchten Kritiker, dass es zu vielen Falschentscheidungen und letztlich zu Zensur kommen könnte. Befürworter der EU-Copyrightreform bestreiten die Zensurvorwürfe und verweisen stets auf eine Gleichstellung für alle Konzerne im Sinne des Leistungsschutzrechts. Hier werden die Themen Upload-Filter und Leistungsschutzrecht gerne vermischt obwohl sie in ihrer Grundthematik relativ wenig gemein haben.

Wie Lizenzmodelle gehandhabt werden sollen, damit Upload-Filter keine Inhalte blockieren oder melden, für die eigentlich schon bezahlt wurde, ist noch unklar. Es ist aber davon auszugehen, dass Websites mit entsprechenden Filtermaßnahmen entweder auf große, selbstangelegte bzw. mit Hilfe von Parnterservices erstellten Datenregister zugreifen können oder es Sammelstellen für etwaige Lizenzprüfungen geben kann. Eine weitere Option wäre das Whitelisting von großen Konzernen, beispielsweise Google oder Facebook, wenn diese beispielsweise für das Anzeigen von Artikeln und Anreißern hohe Pauschalbeträge bezahlen. Das wiederum wirft die Frage auf, wie mit kleinen Firmen oder Einzelpersonen umgegangen wird, die ähnliche Services anbieten möchten. Womöglich wird diesen aufgrund der Komplexität des Gesamtsystems der Zugang zu Verlagskooperationen erschwert. Gleichzeitig ist aber davon auszugehen, dass es im Sinn der Verlage und Pressestellen ist, mit solchen Modellen Geld zu verdienen. Die Optionen sind aktuell also vielseitig, aber nicht ansatzweise geklärt.

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