Die zunehmenden Spannungen in der aktuellen Ukraine-Krise bieten laut Expertinnen und Experten immer weniger Spielraum für eine friedliche Lösung des Konflikts. Bereits vor Tagen wurden Berichte laut, dass erste Cyber-Attacken auf ukrainische Systeme stattgefunden haben. Beide unmittelbar involvierten Parteien, Russland und die Ukraine, widersprechen sich in dieser Sache. Die Stimmen, dass Russlands Präsident Putin hier in jeder Hinsicht als Aggressor die Fäden zieht, werden jedoch immer lauter. Welche Rolle spielen potenzielle Online-Kriegsführung, mediale Berichterstattung und Fake-News in einem Konflikt wie diesem?
In einer Lage mit bereits verhärteten Fronten kann es aus strategischer Sicht ein nützliches Mittel zum Zweck sein, einen Vorwand zu schaffen, um seine politischen Ziele durchzusetzen. Das ist keine Legitimierung solcher Mittel, lediglich ein Faktum, welches sich in dieser Krise beobachten lässt. Um solche Vorhaben möglichst legal durchzuführen, kann das Streuen von Falschinformationen sowohl im eigenen, als auch in fremden Ländern zu deutlicher Befürwortung der eigenen politischen Ideologien führen. Durch das Schaffen potenziell falscher Tatsachen kann die Gegenseite in ein schlechtes Licht gerückt, Verbündete oder gar neutrale Staaten und Bündnisse eher auf die eigene Seite gezogen und letztlich auch das Fass zum Überlaufen gebracht werden, indem eigene Taten dadurch legitimiert werden. All das spielt derzeit eine Rolle, wenn es darum geht, wer streut welche Informationen und welche Form digitaler Kriegsführung steckt dahinter.
Schuldzuweisung und Deeskalation
Während mehrere Staatsoberhäupter und Außenminister in der Situation rund um die Ukraine versuchen die Lage zu deeskalieren, wird gleichzeitig darauf geachtet, eigene Standpunkte zu vertreten und möglichst wenig Boden zu verlieren. Letzteres soweit im diplomatischen Sinn, da es beispielweise für die Europäische Union um Gaslieferungen aus Russland und damit einhergehende Wirtschaftsbeziehungen geht, man aber nicht tatenlos bei einer möglichen Invasion auf europäischem Territorium zusehen möchte. All das wird von Expertinnen und Experten nicht nur als diplomatischer Versuch gesehen, eine friedliche Lösung des Konflikts zu verhandeln. Auch Stichwörter wie „mediale Kriegsführung“ und natürlich Fake-News stehen hier im Raum. Basierend darauf sieht man bei gegebener Informationslage, wie rasch es zu schwer belegbaren Aussagen und Schuldzuweisungen kommen kann, die gegebenenfalls von einer Seite als Fake-News betitelt werden könnte. Wie The Guardian berichtete, hat der ukrainische Cyber-Sicherheitschef eingeräumt, dass es zu früh sei, einen bestimmten Täter zu nennen, der hinter dem vor Tagen getätigten Hacker-Angriff auf die Ukraine stecken könnte.
Ilya Vityuk, cybersecurity chief of Ukraine’s SBU intelligence agency, said it was too early to definitively identify specific perpetrators, as is typically the case with cyber-attacks, where perpetrators make efforts to cover their tracks.
Gleichzeitig wird aber in offiziellen Statements klare Stellung bezogen, wer aus ukrainischer Sicht hinter dem Angriff vermutet wird: die russische Föderation.
The only country that is interested in such attacks on our state, especially against the backdrop of massive panic about a possible military invasion, the only country that is interested is the Russian Federation.
Aufgrund der sich rasch ändernden Lage mit jedem Tag, geht die Aufklärung solcher Newsmeldungen oft unter. Es bleibt aufgrund der realpolitischen Entwicklungen wenig Zeit, den Wahrheitsgehalt hinter diversen News zu prüfen, die Meinungen manifestieren sich jedoch inzwischen in der Bevölkerung – sowohl vor Ort, als auch international.
Russia claims border breach from Ukraine, Kyiv calls it fake news (Reuters)
Russland wird seit Jahrzehnten eine effiziente mediale Propagandamaschinerie nachgesagt, die auch in dieser Lage am laufenden Band vom Kreml gelenkt zum Einsatz kommen soll.
Die Verbreitung von Falschinformation als salonfähiges Mittel?
In dieser besonders für die Ukraine brandgefährlichen Lage wurden auch bereits Vergleiche zu NotPetya, einer die Festplatte verschlüsselnden Malware mit vermuteter Herkunft aus russischen Regierungskreisen, getätigt. Die Vorfälle rund um NotPetya gehen ins Jahr 2016 zurück und zogen sich über Jahre hinweg mit einem Höhepunkt in 2017. Militärische Informationsdienste aus Russland wurden damals als vermutete Haupttäter genannt. Anhand dieses Beispiels ist zu erkennen, welches Ausmaß Cyber-Attacken, Hacker-Angriffe und die Streuung von Fake-News erreicht haben.
Auch der NSA Skandal, der sich seit 2013 wie ein Lauffeuer verbreitete, zeigte auf, zu welchen Mitteln Großmächte wie die USA greifen können. Strukturierte Überwachung anderer Regierungen, relevanter Einzelpersonen, Informationsklassifizierung auf feingranularstem Niveau – all das ist seit über einem Jahrzehnt problemlos möglich.
Obwohl Konflikte wie die genannten und allen voran die aktuell dramatische Lage in der Ukraine selbstverständlich deutlich weitreichender sind, als der vergleichsweise kleine Digitalsektor, den wir hier beleuchten, soll mit Hilfe dieser Beispiele veranschaulicht werden, wie Medien und Online-Netzwerke immer wieder gezielt für eigene Zwecke von Regierungen oder Großmächten genutzt werden können. Laufendes Überprüfen von Informationen und Newsmeldungen ist daher essenziell und im eigenen Sinn, um bei voreiliger oder gar Fake-Berichterstattung möglichst nicht ein Bauer auf dem Schachfeld zu sein.
Abschließend sei darauf hingewiesen, dass wir weder ein Team von Politexpertinnen und -experten noch von Militärstrateginnen und -strategen sind. Aus diesem Grund widmet sich dieser Beitrag ausschließlich der potenziellen Gefahr von Online-Kriegsführung anhand des brandaktuellen Beispiels um die Ukraine.
Update 22.2.2022 Abend: Sicherheitsvorkehrungen
Seit der Veröffentlichung dieses Artikels in den frühen Morgenstunden überschlagen sich die Ereignisse. Bisher war die Rede von Cyber-Angriffen, Drohungen und Streuung von Fake-News, weshalb wir diese Phänomene thematisiert haben.
Doch nun spitzt sich die Lage weiter zu und die russische Föderation marschiert nachweislich mit Truppen in die benachbarte Ukraine ein. Abseits dieser drastischen Entwicklungen zeigen sich weitreichendere Auswirkungen in Bezug auf das eigentliche Thema dieses Artikels. Deutsche Behörden warnen vor potenziellen Cyber-Attacken, insbesondere was kritische Infrastruktur im Land sowie in weiterer Folge der EU betrifft. Allen voran teilte das deutsche Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) mehrfach mit, Vorkehrungen zu treffen, die entsprechende Sicherheiten garantieren würden. Die Bedrohung durch Attacken über Computernetzwerke waren wie berichtet bereits zuvor in die gegebene Krise involviert. Mit diesen Warnungen dürfte nun aber feststehen, dass sie schon bald deutlich weitreichender und häufiger werden können.